Wo man die Kunst im Schlaf erlebt
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Von Rainer Wanzelius
Dortmund. In Dortmund kann man für die Dauer einer Ausstellung
in Kunst wohnen und schlafen. Zusammen mit dem WR-Kollegen Alexander
Völkel habe ich das Angebot getestet.Das "Depot"
an der Immermannstraße im Norden der Stadt. Hier warten
unter dem Titel "dormArt" elf beschlafbare Installationen.
Wir begegnen einer internationalen Gästeschar, deren Reiseziel
sicher nicht die Kunst gewesen ist. Vor allem Fußball-Fans
nehmen das befristete Angebot dankbar an. Dabei entwickeln sie
viel Humor. Sollten sie auch . . . Zum Beispiel Michael und Billy,
zwei Gäste aus London. Ob es sie auch sonst mal ins Museum
oder in eine Kunstausstellung zieht?, fragen wir sie. Nie, sagt
Billy entschieden. Michael zögert. Na ja, sagt er, wenn da
ein Mädchen wäre, und das wollte ins Museum. Michael
Law, der Sicherheitstechniker, und Billy Ground, der ein Plattenlabel
gegründet hat, haben den Tag auf dem Dortmunder Friedensplatz
verbracht, dann zogen sie durch die City. Wie lange? Wohl so lange,
bis sie sich mit dem Ergebnis "ihres" Spiels angefreundet
hatten. Das war früh um fünf. Wer bei "dormArt"
nächtigt, muss sich für eines der freien Zimmer entscheiden.
Das heißt, er trifft eine Wahl in Sachen Kunst. Da wird
das Einchecken zum Ritual. Zauberwort: Willkommen. Zaubersatz:
Sie werden schon erwartet. Zaubergeste: Händedruck. Hallo!
So empfangen Andreas Kretschmer und seine Mitarbeiter ihre Gäste
im "ruhgebiet", ihrem Hostel, das sie im Vorjahr in
einem ehemaligen Verwaltungsgebäude schön nah an der
B1 eröffnet haben. Kommunikative Atmosphäre, solide
Ausstattung, angemessenes Preis-Leistungsverhältnis, das
zählt. Mit Händedruck werden auch die Gäste in
der ehemaligen Straßenbahnwerkstatt empfangen. Es ist 22.45
Uhr, wir sind die ersten Gäste, die letzten werden uns am
Morgen gegen sechs aus dem Schlaf schrecken. Die Anlage besteht
aus elf nur im Grundriss gleichen Zimmern, fast alle ohne Decke,
man schaut direkt ins Stahlgebälk der Dachkonstruktion der
Halle. Kretschmer beginnt mit der koreanischen Sauna "Zzimzilbang",
einer mit fluoreszierenden Farblinien ausgemalten Blackbox von
Byungwang Cho, die ihre Wirkung erst bei eingeschaltetem Schwarzlicht
entfaltet, schockierend und beruhigend zugleich. Beim Frühstück
taucht ein Schwede auf, der ein Brite ist. David Locke kommt sogar
zweimal. Erst als Fan, dann in Zivil. Beim zweiten Mal, ohne die
Kluft, wirkt er richtig erleichtert. Der Englisch-Lehrer aus Stockholm
hat die Nacht bzw. ihren Rest mit drei Freunden in einem Vierbettzimmer
verbracht - als Teil der seriellen Installation "Im Schlaf
sind alle gleich". Der WR-Fotograf und ich sind die einzigen,
die die Kunst hergelockt hat. Alle anderen hatten im ausgebuchten
Hostel "ruhgebiet" den Schlaf-Tipp "dormArt"
bekommen. Als eine faszinierende Idee bleibt es aber allen in
Erinnerung. Und mit ihm die Region. Auch wenn in jedem Raum ein
Päckchen Ohropax auf die Gäste wartete. Ach so. Ich
habe in dem Bild o. T., 2006, Filz, Matratze, 90x200 cm, von Klaus
Pinter aus Österreich geschlafen. Man musste es von der Wand
nehmen, dann war es kein Bild mehr. Und der Foto-Kollege? Der
verkroch sich in der "Tulip Redbox", ganz in Rot. Und
ganz allein mit den Träumen einer Künstlerin. Michael
und Billy hatten sich ein Zwei-Kojen-Zimmer ausgesucht. Eine Installation
zum Einander-den-Rücken-Zuwenden. "Aber", sagt
Michael, "das war doch genau das Richtige. Wir sind schließlich
kein Liebespaar."
Das Baumhaus ist zugesperrt
Dortmund. In Dortmund kann man für die Dauer einer
Ausstellung in Kunst wohnen und schlafen. Zusammen mit dem WR-Kollegen
Alexander Völkel habe ich das Angebot getestet.
FAKTEN ·
Der Gast hat die Qual der Zimmerwahl. Im Angebot außerdem
(u. a.): · Zimmer 3: Von Jeong-Eun Lee (Korea). Man schläft
auf weißem Futon auf Kunstrasen, ein virtuelles Baby schläft
mit. · Zimmer 7: "95 Euro pro Nacht". Ein Wohn-Wagen
von Daniela Wettstein (CH). Sehr intim. · Zimmer 8: Wolfgang
May (D) nennt sein Baumhaus mit Monitor-Mond "Wie im Himmel
so auf Erden". Schwankt sehr, zugesperrt. · Zimmer
9: Barbara Friess und Adi Hoesle (D) haben "Das Zimmer von
Frau K.-modell dortmund" über E-bay erworben. Deutsches
Design. · Man kann die Zimmer auch nur besichtigen: Immermannstr.
39. - Infos, Reservierung: 0231/90 08 06. Bis 9. Juli (WM-Endspieltag).
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