international arts project
-
Depot Dortmund Germany 2006
 

Medienspiegel

  <<< zurück

13.06.2006 WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU

Wo man die Kunst im Schlaf erlebt

   


Von Rainer Wanzelius

Dortmund. In Dortmund kann man für die Dauer einer Ausstellung in Kunst wohnen und schlafen. Zusammen mit dem WR-Kollegen Alexander Völkel habe ich das Angebot getestet.Das "Depot" an der Immermannstraße im Norden der Stadt. Hier warten unter dem Titel "dormArt" elf beschlafbare Installationen. Wir begegnen einer internationalen Gästeschar, deren Reiseziel sicher nicht die Kunst gewesen ist. Vor allem Fußball-Fans nehmen das befristete Angebot dankbar an. Dabei entwickeln sie viel Humor. Sollten sie auch . . . Zum Beispiel Michael und Billy, zwei Gäste aus London. Ob es sie auch sonst mal ins Museum oder in eine Kunstausstellung zieht?, fragen wir sie. Nie, sagt Billy entschieden. Michael zögert. Na ja, sagt er, wenn da ein Mädchen wäre, und das wollte ins Museum. Michael Law, der Sicherheitstechniker, und Billy Ground, der ein Plattenlabel gegründet hat, haben den Tag auf dem Dortmunder Friedensplatz verbracht, dann zogen sie durch die City. Wie lange? Wohl so lange, bis sie sich mit dem Ergebnis "ihres" Spiels angefreundet hatten. Das war früh um fünf. Wer bei "dormArt" nächtigt, muss sich für eines der freien Zimmer entscheiden. Das heißt, er trifft eine Wahl in Sachen Kunst. Da wird das Einchecken zum Ritual. Zauberwort: Willkommen. Zaubersatz: Sie werden schon erwartet. Zaubergeste: Händedruck. Hallo! So empfangen Andreas Kretschmer und seine Mitarbeiter ihre Gäste im "ruhgebiet", ihrem Hostel, das sie im Vorjahr in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude schön nah an der B1 eröffnet haben. Kommunikative Atmosphäre, solide Ausstattung, angemessenes Preis-Leistungsverhältnis, das zählt. Mit Händedruck werden auch die Gäste in der ehemaligen Straßenbahnwerkstatt empfangen. Es ist 22.45 Uhr, wir sind die ersten Gäste, die letzten werden uns am Morgen gegen sechs aus dem Schlaf schrecken. Die Anlage besteht aus elf nur im Grundriss gleichen Zimmern, fast alle ohne Decke, man schaut direkt ins Stahlgebälk der Dachkonstruktion der Halle. Kretschmer beginnt mit der koreanischen Sauna "Zzimzilbang", einer mit fluoreszierenden Farblinien ausgemalten Blackbox von Byungwang Cho, die ihre Wirkung erst bei eingeschaltetem Schwarzlicht entfaltet, schockierend und beruhigend zugleich. Beim Frühstück taucht ein Schwede auf, der ein Brite ist. David Locke kommt sogar zweimal. Erst als Fan, dann in Zivil. Beim zweiten Mal, ohne die Kluft, wirkt er richtig erleichtert. Der Englisch-Lehrer aus Stockholm hat die Nacht bzw. ihren Rest mit drei Freunden in einem Vierbettzimmer verbracht - als Teil der seriellen Installation "Im Schlaf sind alle gleich". Der WR-Fotograf und ich sind die einzigen, die die Kunst hergelockt hat. Alle anderen hatten im ausgebuchten Hostel "ruhgebiet" den Schlaf-Tipp "dormArt" bekommen. Als eine faszinierende Idee bleibt es aber allen in Erinnerung. Und mit ihm die Region. Auch wenn in jedem Raum ein Päckchen Ohropax auf die Gäste wartete. Ach so. Ich habe in dem Bild o. T., 2006, Filz, Matratze, 90x200 cm, von Klaus Pinter aus Österreich geschlafen. Man musste es von der Wand nehmen, dann war es kein Bild mehr. Und der Foto-Kollege? Der verkroch sich in der "Tulip Redbox", ganz in Rot. Und ganz allein mit den Träumen einer Künstlerin. Michael und Billy hatten sich ein Zwei-Kojen-Zimmer ausgesucht. Eine Installation zum Einander-den-Rücken-Zuwenden. "Aber", sagt Michael, "das war doch genau das Richtige. Wir sind schließlich kein Liebespaar."


Das Baumhaus ist zugesperrt

Dortmund. In Dortmund kann man für die Dauer einer Ausstellung in Kunst wohnen und schlafen. Zusammen mit dem WR-Kollegen Alexander Völkel habe ich das Angebot getestet.
FAKTEN
· Der Gast hat die Qual der Zimmerwahl. Im Angebot außerdem (u. a.):
· Zimmer 3: Von Jeong-Eun Lee (Korea). Man schläft auf weißem Futon auf Kunstrasen, ein virtuelles Baby schläft mit.
· Zimmer 7: "95 Euro pro Nacht". Ein Wohn-Wagen von Daniela Wettstein (CH). Sehr intim.
· Zimmer 8: Wolfgang May (D) nennt sein Baumhaus mit Monitor-Mond
"Wie im Himmel so auf Erden". Schwankt sehr, zugesperrt.
· Zimmer 9: Barbara Friess und Adi Hoesle (D) haben "Das Zimmer von Frau K.-modell dortmund" über E-bay erworben. Deutsches Design.
· Man kann die Zimmer auch nur besichtigen: Immermannstr. 39. - Infos, Reservierung: 0231/90 08 06. Bis 9. Juli (WM-Endspieltag).

 

dormART, ein Projekt. Kuratoren: Bärbel Thier - Jaspert / Christian Psyk